Was leistet die Stamokap-Theorie?

Bericht vom MEZ-Seminar über den staatsmonopolistischen Kapitalismus am 22. November 2014.

Mit seiner ökonomischen und politischen Potenz greift der Staat zum Nutzen der Monopole in den Wirtschaftsprozess ein. Das ist mit Händen zu greifen und durchaus im Alltagsbewusstsein verankert. Dennoch führt der Begriff des staatsmonopolistischen Kapitalismus (SMK), der diese Realität zu fassen versucht, ein Schattendasein oder wird in die Abteilung »Vergangenes« verwiesen. In den 1970er und 1980er Jahren wirkte die SMK-Theorie wegen ihrer Plausibilität bis ins sozialdemokratische Spektrum und darüber hinaus. Wenn heute über die SMK-Theorie so wenig gesprochen wird, liegt das nicht daran, dass sich ihr Gegenstand so sehr geändert hätte, sondern dass mit der Schwächung der Arbeiterbewegung und der Marginalisierung der Kommunisten ihr sozialer Träger abhandengekommen ist.

Am Sonnabend widmete das Marx-Engels-Zentrum in Berlin-Charlottenburg der zu Unrecht ad acta gelegten Theorie ein ganztägiges Seminar. Anlass war das kürzlich im PapyRossa-Verlag erschienene Bändchen »Staatsmonopolistischer Kapitalismus« von Gretchen Binus, Beate Landefeld und Andreas Wehr. Diese Autoren nebst Lucas Zeise waren die Referenten. Etwa 40 Interessierte kamen und trugen zu lebhaften Diskussionen bei.

Gretchen Binus zeichnete im Eröffnungsreferat Entstehung und Entwicklung des SMK nach. Schon der Übergang des Konkurrenzkapitalismus zum Imperialismus in Folge der Krise von 1873 ging nicht ohne Staatseingriffe vonstatten. Marx war klar: Mit der in den Aktiengesellschaften angelegten Monopolbildung war der gesellschaftliche Charakter der Produktion in einem Ausmaß anerkannt, der »die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst« bedeutete. Ein Widerspruch, der »die Staatseinmischung herausfordert«. Lenin sah »unter dem Druck der Verhältnisse« »den monopolistischen sich in den staatsmonopolistischen Kapitalismus« verwandeln. Gramsci und Varga setzten sich in den 1920er und 1930er Jahren mit der erweiterten Rolle des Staates auseinander.

Hier wäre festzuhalten: SMK ist eine Reaktion auf die Widersprüche, die sich aus der fortschreitenden Vergesellschaftung der Produktion unter Beibehaltung der privaten Aneignung ergeben.

Schübe gab es in der Entwicklung des SMK vor allem in Folge von Krisen (1873, Erster Weltkrieg, 1929). Nach Ansicht vieler Theoretiker fand der SMK seine volle Ausprägung im Zuge der krisenhaften Prozesse in den 1970er Jahren – mit unterschiedlichen Spezifikationen (»Planification« in Frankreich, militärisch-industrieller Komplex in den USA, MITI-Instanz in Japan usw.). Mit der sogenannten Globalisierung nimmt der SMK schließlich internationale Formen an (was nicht bedeutet, dass nationale staatsmonopolistische Systeme verschwinden).

Wie geht es, da die in der Geschichte mehrfach aufgetretene Erwartung eines baldigen Endes des Kapitalismus sich nicht erfüllt hat, nun mit dem Imperialismus weiter: Wird die menschheitsgefährdende Konkurrenz fortdauern, oder kommt es vielleicht doch zu einer Art Ultraimperialismus, wie ihn Karl Kautsky seinerzeit für möglich hielt? Dieser Frage widmete sich Andreas Wehr. Kautskys Vorstellung von einer möglichen Vereinigung der Imperialismen der ganzen Welt zwecks gemeinsamer Ausbeutung wurde von Lenin schroff zurückgewiesen. Zu Recht, wie die Geschichte zeigen sollte: Selbst in Hochzeiten der Kooperation scheiterten unter USA-Dominanz alle Versuche zur Überwindung innerimperialistischer Widersprüche, ein Beispiel wäre die Suez-Krise.

Heute wird für die EU eine Vorreiterrolle bei der Zusammenarbeit von Staaten propagiert, was Illusionen etwa über ein Ende der Kriege nährt, doch auch ihre Mitgliedsstaaten tragen Konkurrenzkämpfe aus, und Kernbereiche wie Außen- und Sicherheitspolitik oder Innen- und Rechtspolitik bleiben, wenn es darauf ankommt, unter nationalem Vorbehalt.

Marxisten beschäftigen sich mit Theorie als Moment im Klassenkampf, und so erörterte Beate Landefeld von zwei Seiten her die aus der SMK-Theorie folgende Strategie des antimonopolistischen Kampfes: über theoretische Analysen der Entwicklung des Kapitalismus und seiner Veränderungen und über die Erfahrungen der revolutionären Arbeiterbewegung. Landefeld spannte dabei den Bogen vom Kommunistischen Manifest, in dem schon von Übergangsforderungen und Revolution in Permanenz die Rede ist, über die Leninsche Imperialismustheorie, in der durch die erkannte Tendenz des Imperialismus zur Aggressivität nach außen und Repression nach innen die Demokratiefrage neu aufgeworfen wird, bis zu den Diskussionen der 1970er Jahre, in denen Lenins Interpretation des Imperialismus als Übergangsverhältnis eine große Rolle spielte. Hinsichtlich der revolutionären Arbeiterbewegung ging Landefeld insbesondere auf die unterschiedlichen Erfahrungen in den nach dem Zweiten Weltkrieg gebildeten Volksdemokratien sowie die fehlgeschlagenen Versuche in Chile, Portugal und Frankreich (»Programme commun«) ein.

Schließlich kam Lucas Zeise mit seinem Beitrag »Was kann die SMK-Theorie heute leisten?« die Rolle zu, ein wenig wider den Stachel zu löcken. Er warf Fragen auf wie: »Haben Staat und bestimmende Kapitalisten nicht schon immer zusammengearbeitet?« oder »Warum konnte die SMK-Theorie in früheren Zeiten erklären, warum der Kapitalismus so gut funktionierte, aber heute nicht, warum er so schlecht funktioniert?« Und wies auf Leerstellen (Energie, Finanzkrise) hin, die zu füllen seien.

Autor: Helmut Dunkhase

Erschienen am 25.11.2014 in der Tageseitung junge Welt

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