Bonapartismus und Faschismus

von

Der Marxismus Domenico Losurdos - Über den Zusammenhang seines Denkens (Teil 15)

Die Marxsche Schrift „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte wurde im 20. Jahrhundert zum Ausgangspunkt marxistischer Faschismusanalysen. Verwiesen sei hier vor allem auf August Thalheimer, der 1930 in seiner Schrift „Über den Faschismus“ die Marxsche Analyse des Aufstiegs Napoleons III. zur Grundlage seiner Studien nahm: „Der beste Ausgangspunkt für die Untersuchung des Faschismus scheint mir die Marxsche und Engelssche Analyse des Bonapartismus (Louis Bonaparte) zu sein. Wohlverstanden, ich setze nicht Faschismus und Bonapartismus gleich. Aber es sind verwandte Erscheinungen mit sowohl gemeinsamen als auch mit abweichenden Zügen, die beide herauszuarbeiten sind.“ [1]

Auch Leo Trotzki griff im September 1932 bei der Analyse der Endphase der Weimarer Republik auf jene Form bürgerlicher Herrschaft zurück, die man als Bonapartismus bezeichnet: „Wir haben seinerzeit die Brüningregierung als Bonapartismus ('Karikatur auf den Bonapartismus') bezeichnet, d.h. als ein Regime militärisch-polizeilicher Diktatur. Sobald der Kampf zweier sozialer Lager – der Besitzenden und Besitzlosen, der Ausbeuter und Ausgebeuteten – höchste Spannung erreicht, sind die Bedingungen für die Herrschaft von Bürokratie, Polizei, Soldateska gegeben. Die Regierung wird 'unabhängig' von der Gesellschaft.“ [2]

Bereits 1923 hatte Clara Zetkin über die Machtkonstellation gesprochen, die den italienischen Faschismus möglich gemacht hatte: „Die Bourgeoisie kann die Sicherheit ihrer Klassenherrschaft nicht mehr von den regulären Machtmitteln ihres Staates allein erwarten. Sie braucht dafür eine außerlegale, außerstaatliche Machtorganisation. Eine solche wird ihr gestellt durch den bunt zusammengewürfelten Gewalthaufen des Faschismus. Deshalb nimmt die Bourgeoisie nicht nur mit Kusshand die Dienste des Faschismus an und gewährt ihm weiteste Bewegungsfreiheit im Gegensatz zu all ihren geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen. Sie geht weiter, sie nährt und erhält ihn und fördert seine Entwicklung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln des Geldschranks und der politischen Macht.“ [3]

Die Faschismus-Analysen Thalheimers, Trotzkis und Zetkins sind noch heute richtungsweisend, gehen sie doch von der Differenz zwischen politischer und sozialer Herrschaft der bürgerlichen Klasse aus. Sie sind daher jener Faschismusdefinition überlegen, wie sie in der Kommunistischen Internationale ausgegeben und in der Formel von Georgi Dimitroff zusammengefasst wurden, wonach „der Faschismus an der Macht (…) die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals (ist).” [4] Damit wird aber der Faschismus gradlinig-funktionell aus den Produktionsverhältnissen der kapitalistischen Gesellschaft abgeleitet und auf die Rolle eines Agenten der bürgerlichen Klasse, der „am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“, reduziert. Dabei verschwindet die so wichtige Differenz zwischen politischer und sozialer Herrschaft.

Bonapartismus und Faschismus ähneln einander, sind im Kern sogar teilweise identisch. Nach Thalheimer sind die Unterschiede „teils lokal bedingt – durch die lokale Verschiedenheit der Klassenverhältnisse, geschichtlichen Traditionen usw. (…), so dass der Diktator in Frankreich auf Grund der napoleonischen Legende und der Rolle, die sie bei der Bauernschaft spielt, als 'Kaiser' auftritt; in Italien muss er sich mit der Rolle des 'Duce' begnügen und neben sich die Krone bestehen lassen.“ [5]

Nach Domenico Losurdo können sowohl der deutsche Nationalsozialismus als auch der italienische Faschismus unter den Begriff „Kriegsbonapartismus“ gefasst werden. Er vermeidet damit die gebräuchliche Bezeichnung des deutschen Nationalsozialismus als Faschismus: „So stellt sich das Dritte Reich im ganzen Verlauf seiner Entwicklung als Kriegsbonapartismus dar, und zwar als ein solcher des totalen Krieges unter dem Zeichen eines permanenten Ausnahmezustandes, der mit einer nie dagewesenen Brutalität durchgeführt wird. Diese Erklärung kann in gewissem Maße auch für Italien gelten, wo außer dem Willen, ein für allemal die Gefahr eines politischen Umsturzes zu beseitigen, der Kriegsbonapartismus und der permanente Ausnahmezustand von einem auch hier wieder revanchistischen Projekt internationaler Politik angeregt werden, in dessen Umfeld der Mythos vom 'verstümmelten Sieg' eine Politik militärischer Abenteuer vorantreibt, vom Marsch auf Fiume über Äthiopien und Spanien bis zum Ultimatum an Griechenland und zur Besetzung von Korfu und zur Katastrophe des Zweiten Weltkrieges.“ [6]

Arthur Rosenberg hat in einem 1934 erschienenen Aufsatz darauf hingewiesen, dass Bonapartismus und Faschismus durch ein weiteres gemeinsames Merkmal gekennzeichnet sind, nämlich „gewalttätige Stoßtrupps“: „Die französische Kapitalistenklasse hat 1848 und 1871 in blutigen Metzeleien die Pariser Arbeiter niedergeworfen. Bismarck hat von 1878 bis 1890 die deutsche Arbeiterschaft in den Fesseln des Sozialistengesetzes gehalten. Aber es schien doch selbstverständlich zu sein, dass die herrschende Klasse die Gewalt in ihrem Staat mit ihrem Staatsapparat ausübte, der doch für diese Zwecke da ist: Die Obrigkeit, Polizei, und Justiz haben gegen den Umsturz zu kämpfen, und wenn das nicht ausreicht, hat das Militär einzugreifen.“ [7] Anders aber bei der Übernahme der Macht durch bonapartistische bzw. faschistische Diktatoren. Sie bedienen sich „gewalttätiger Stoßtrupps“. Bei der Machtergreifung Louis Napoleon Bonapartes 1851 spielte die „Gesellschaft vom 10. Dezember“, benannt in Erinnerung an den 10. Dezember 1848, der Tag des Wahlsiegs Louis Bonapartes bei den französischen Präsidentschaftswahlen, als ein solcher Stoßtrupp die entscheidende Rolle. Diese Truppe setzte sich zusammen aus Lumpenproletariern, Glücksrittern, skrupellosen Militärs und nicht zuletzt Kriminellen. Karl Marx schrieb über sie: „In seiner Gesellschaft vom 10. Dezember sammelt er 10.000 Lumpenkerle, die das Volk vorstellen müssen.“ [8]

Ähnlich verhielt es sich mit den „Schwarzhemden“, jenem nach Clara Zetkin „bunt zusammengewürfelten Gewalthaufen des Faschismus“, die die Gegner des italienischen Faschismus terrorisierten und einschüchterten und so dem Duce 1922 bei seinem Marsch auf Rom den Weg zur Macht ebneten. Und schließlich die nationalsozialistische „Sturmabteilung“ (SA)“, die beim Zeitpunkt der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 über 400.000 Mitglieder zählte. Nur durch ihren rücksichtslosen Terror war es möglich gewesen, jegliche Opposition gegen die NS-Herrschaft zu unterdrücken.

Rosenberg stellte die Gemeinsamkeiten all dieser „Stoßtrupps der faschistischen Art“ heraus: „Die Regierung und die herrschenden Schichten setzen zum Kampf gegen die Opposition nicht die übliche, reguläre Staatsgewalt ein, sondern freiwillige Scharen aus der Masse des Volkes gehen ans Werk. Sie überfallen, misshandeln oder töten alle Menschen, die sich unbeliebt gemacht haben, erschlagen oder rauben ihr Eigentum, verbreiten eine Welle von Grausamkeit und Schrecken, in der jede Opposition ertrinken soll. Die Handlungen dieser Stoßtrupps des faschistischen Typs verstoßen gegen die gedruckten Gesetze des Landes. Nach dem geltenden Recht müssten die Stoßtrupps vor Gericht gestellt und ins Zuchthaus geschickt werden. Aber es geschieht ihnen tatsächlich gar nichts. Wenn man sie verurteilt, ist es nur Schein, entweder sie verbüßen keine Strafen, oder sie werden schnell begnadigt. Auf jede Weise zeigt die herrschende Gesellschaft den Stoßtrupphelden ihre Sympathie und Dankbarkeit.“ [9]

Über die einzelnen Stufen der Herstellung der offenen Diktatur schrieb Thalheimer: „Die Aushöhlung des bürgerlich-parlamentarischen Regimes erfolgt schrittweise. Und die Bourgeoisie selbst ist dabei der Hauptagent. Marx' 18. Brumaire schildert gerade diesen Aushöhlungsprozess in seinen einzelnen Etappen. Die Herstellung der offenen Diktatur kann aber nur durch einen Sprung, einen Putsch oder Staatstreich erfolgen, bei dem die Bourgeoisie selber das passive Element ist. Ihre Sache ist es, die Bedingungen zu schaffen, damit sie sozial 'gerettet' und politisch vergewaltigt werden kann. Das Individuum oder die Organisation findet sich dazu immer, wenn ein Bedürfnis dazu da ist. Die entsprechenden Organisationen fördert die Bourgeoisie selber aktiv oder passiv.“ [10]

Das dafür geeignete Individuum hieß 1851 Louis Bonaparte: „In allen Wassern gewaschen, karbonaristischer Verschwörer in Italien, Artillerieoffizier in der Schweiz, verschuldeter Lumpacivagabundus und Spezialkonstabler in England, aber stets Prätendent.“ [11] 1922 hieß das Individuum Benito Mussolini, ein anfangs glühender Anhänger des syndikalistischen Sozialismus, 1914 zum begeisterten Befürworter des Kriegseintritts Italiens konvertiert und dafür aus dem Direktorium der Sozialistischen Partei Italiens ausgeschlossen – bei nur einer Gegenstimme, seiner eigenen. Und schließlich kam Adolf Hitler, der „Anstreicher“, alles in Allem eine verkrachte Existenz, direkt dem Lumpenproletariat entstiegen.

Bonapartistische bzw. faschistische Machtergreifungen folgten regelmäßig gescheiterten Revolutionen. 1848 war es die Niederlage der Pariser Arbeiter im Juni-Aufstand. Die dabei demonstrierte neue Macht des Proletariats versetzte das Bürgertum derart in Angst und Schrecken, dass es die Diktatur Louis Bonapartes als geringeres Übel zu akzeptieren bereit war. In Italien und Deutschland waren es Revolutionen am Ende des Ersten Weltkriegs, welche die soziale Herrschaft der Bourgeoisie zwar nicht in Frage stellen konnten, aber von den reaktionären Kräften im Staatsapparat, Militär sowie in kapitalistischen Unternehmen als unerträgliche Einschränkungen ihrer bisherigen Alleinherrschaft bekämpft wurden. Die faschistischen Machtergreifungen in den beiden Ländern waren daher Reaktionen auf die ihnen in den Revolutionen angetane Schmach. Es hatte sich als verhängnisvoller Fehler erwiesen, dass es nicht gelungen war, diese konterrevolutionären Kräfte rechtzeitig auszuschalten. Und so bewahrheitete sich einmal mehr jene Prophezeiung von Karl Marx, wonach auf eine „halbe Revolution immer eine ganze Konterrevolution folgt“.

Droht ein neuer Faschismus?

Die Situation in den Ländern des „Westens“ und damit auch in Deutschland, unterscheidet sich heute grundlegend von der der Zwischenkriegsphase mit dem Aufstieg faschistischer Kräfte in Italien und Deutschland, aber auch in Polen, Österreich, Ungarn, Spanien und Portugal. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland und in den anderen genannten Ländern gegenwärtig keine relevanten Kräfte im Militär, in der Staatsbürokratie und unter den führenden Kapitalisten, die den Sturz der verfassungsmäßigen parlamentarischen Ordnung herbeiführen wollen. Es gibt weder eine relevante faschistische Partei noch „faschistische Stoßtrupps“. Weshalb sollte auch die Bourgeoisie auf das äußerst riskante Unternehmen der Errichtung einer faschistischen Diktatur setzen, gibt es doch heute keine relevante Kraft, die ihre Herrschaft in Frage stellen könnte. Mit dem Ende der Sowjetunion und ihrer europäischen Verbündeten verschwand die Systemalternative Sozialismus, damit ging den militanten Rechtskräften zugleich das kommunistische Feindbild verloren. Es gibt daher nicht die gegenwärtig so oft beschworene faschistische Gefahr. Wer anderes behauptet, verharmlost zugleich den wirklichen Faschismus, wie er in Deutschland zwischen 1933 und 1945 an der Macht war.

Was es mit der Alternative für Deutschland (AfD) allerdings gibt, ist eine neue konservative, reaktionäre Partei, in der sich zwar auch rechtsradikale Kräfte organisieren, die aber insgesamt eine Verselbständigung des rechten Flügels von CDU/CSU darstellt, wie er seit Beginn der Bundesrepublik existierte, und der in der Kanzlerkandidatur von Franz-Josef Strauß 1980 einen Höhepunkt an Einfluss in den Unionsparteien erreicht hatte. Es ist daher alles andere als zufällig, dass der AfD viele ehemaligen Funktionäre und Mandatsträger von CDU/CSU angehören.

Der Aufstieg dieser neuen deutschen konservativen Partei steht im Kontext mit vergleichbaren Entwicklungen in Europa. In Frankreich ist der Rassemblement National unter Marine Le Pen auf dem Vormarsch, die italienische Partei Fratelli d'Italia, die Nachfolgepartei der Neofaschisten, befindet sich bereits an der Macht. In den Niederlanden regierte bereits die rechtspopulistische Freiheitspartei. In Belgien führen die flämischen Nationalisten die Regierung. Und in Österreich wurde die FPÖ zur stärksten Kraft. Einflussreiche rechtspopulistische Parteien existieren ebenso in Spanien, Portugal, in Osteuropa und in den skandinavischen Ländern. Ein neuer Hitler oder auch nur eine einflussreiche faschistische Bewegung sind hingegen nirgendwo in Sicht.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Domenico Losurdo in der Zeitschrift „Marxistische Blätter“ den Artikel „Die neuen Hitler. Ein Beitrag wider die Phrase.“ [12] Es war die Zeit des Aufstiegs der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und ihres Regierungseintritts unter dem Vorsitzenden Jörg Haider in eine Koalition mit der Österreichischen Volkspartei. Die Europäische Union reagierte mit Sanktionen gegen Österreich, und die gesamte europäische Linke sah bereits einen neuen Faschismus marschieren. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels führte die NATO unter Führung der USA Krieg gegen Serbien, um dem Land die serbische Provinz Kosovo zu entreißen. Die Hysterie um den Aufstieg eines „neuen Hitlers“ war in dieser Situation bestens geeignet, die linke Öffentlichkeit von dieser eklatanten Völkerrechtsverletzung abzulenken.

Angesichts der Warnungen vor einem „neuen Hitler“ hielt Losurdo daran fest, dass die vernichtende Niederlage des deutschen Faschismus am 8. Mai 1945 und die wenige Monate darauf folgende Kapitulation Japans die Welt grundlegend verändert hatten. Die Sowjetunion wurde zur Weltmacht und die antikolonialistische Bewegung erlebte einen ungeheuren Aufschwung. Indien errang 1947 die Unabhängigkeit. 1949 rief Mao Tse Tung die Volksrepublik China aus. In den folgenden Jahren wurden fast überall in Asien und Afrika die alten Kolonialmächte verdrängt.    

Losurdos Urteil ist eindeutig: „Es ist also Unsinn, den Horizont nach Anzeichen für den neuen Hitler abzusuchen. Ebenso gut könnte man auf die Ankunft des Antichrists warten. Im einen wie im anderen Falle handelt es sich um eine religiöse Vorstellung: die Neuauflage des absoluten Bösen und den erhofften vollständigen und endgültigen Sieg des Guten. In Wirklichkeit werden sich die Hitlerhorden, die in Stalingrad gestoppt und schmählich besiegt und dann von der heroischen Roten Armee bis zur endgültigen Niederlage des Dritten Reiches zurückgetrieben wurden, nicht wieder aus ihrer Asche erheben. Die kommunistische Bewegung hat entscheidend zur Liquidierung des Nazismus auch auf der ideologischen Ebene beigetragen. Noch in der 30er Jahren hatte der Begriff 'Rassismus' einen keineswegs eindeutig negativen Beigeschmack; auf die 'Rassenkunde' als angebliche 'Wissenschaft' beriefen sich auch außerhalb Deutschlands nicht wenige 'Wissenschaftler' der kapitalistischen Welt. Mit dem Debakel des Dritten Reichs ist es damit vorbei.“ [13]

Scharf fällt Losurdos Kritik an jenen Kommunisten und Sozialisten aus, die weiterhin dem Gespenst eines wiederauferstandenen Nazismus nachjagen: „Eine Linke freilich, die weiterhin dem Analogienspiel frönt und den Horizont nach dem wieder erstandenen oder erstehenden Nazismus absucht, bewegt sich nicht nur in einem imaginären historischen Raum, sondern trägt letztlich auch bei zur Stärkung der Hegemonie des Heiligen Vaters - der in Washington sitzt und heute zugleich über die Exkommunikationsgewalt und die Fähigkeit zur atomaren Vernichtung verfügt. (…) Tatsächlich sind das Streben nach und der Traum von der Weltherrschaft keineswegs verschwunden, sondern haben in unseren Tagen eine noch deutlichere Gestalt angenommen. In diesem Sinne gilt: Wenn es irgendetwas gibt, was an das Dritte Reich denken lässt, das nach der Vorstellung Hitlers mindestens tausend Jahre dauern sollte, so ist es die Neue Weltordnung, beherrscht von den USA, den Trägern einer, nach dem arroganten und visionären Anspruch Clintons, (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels im Jahr 2000 war Bill Clinton Präsident der USA, A.W.) geradezu 'zeitlosen' weltweiten 'Mission'.“ [14]

Für Losurdo besteht daher kein Zweifel: „Wenn man denn wirklich zum Analogiespiel greifen will, dann gleicht dem Führer am ehesten der Weltherrschaftsaspirant in Washington. (…) Anders als der Nazi-Imperialismus strebt der amerikanische heute keine direkte politische Kontrolle seiner Kolonien und Halbkolonien an. Ihm geht es eher um die Umwandlung der ganzen Welt in einen 'freien Markt' und eine als 'freier politischer Markt' verstandene 'Demokratie', die für die Waren und 'Werte' made in USA offensteht. Der Verwirklichung dieses Ziels soll einerseits die Förderung ethnischer Spannungen und separatistischer Bewegungen, andrerseits die 'Menschenrechts'-Kampagnen dienen. In den Augen Washingtons ist eine durchorganisierte politische Partei ebenso unerträglich wie eine blühende und autonome nationale Wirtschaft und Technologie (Volkschina passt unter beiden Gesichtspunkten wie die Faust aufs Auge). Die Länder, die ein Hindernis auf dem Weg zur Weltherrschaft bilden können, müssen zerstückelt werden und sich der wirtschaftlichen, multimedialen, kulturellen und politischen Übermacht des amerikanischen Imperialismus öffnen. Im Schatten lauert, bereit zur direkten Intervention und zur Entfesselung 'humanitärer Kriege', ein monströser Militärapparat der Zerstörung und des Todes. Mehr als an den der Nazis, erinnert der heutige amerikanische Imperialismus an den britischen, der den Anspruch erhob, mit seiner Expansion 'die Kriege unmöglich zu machen und die besten Interessen der Menschheit zu fördern'. So drückt sich Cecil Rhodes aus, der die Philosophie des britischen Empire so zusammenfasst: 'Philanthropie + 5 %'.“ [15]

„Da es“ – nach Losurdo – „der Linken an einer konkreten Analyse der konkreten Situation fehlt, erweist (sie) sich als unfähig, eine eigenständige Strategie auszuarbeiten. Sie verliert den Hauptfeind aus dem Blick. Während sie sich wegen des Falls Haider [16] entsetzt gaben, führten die USA im Kosovo, in Übereinstimmung mit ihren europäischen Alliierten, eine schreckliche ethnische Säuberung durch.“

  

[1] August Thalheimer, Über den Faschismus, in: Faschismus und Kapitalismus. Theorien über die sozialen Ursprünge und die Funktion des Faschismus, herausgegeben von Wolfgang Abendroth, Frankfurt am Main 1972, S. 19-39 und auch unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/thalheimer/1928/xx/fasch.htm

[2] Leo Trotzki, Der einzige Weg, in: Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen? Auswahl aus Schriften über Deutschland, Frankfurt am Main, 1971, S. 203-267. Auszugsweise auch unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1932/09/01-bonfasch.htm

[3] Clara Zetkin, Der Kampf gegen den Faschismus, Bericht auf dem Erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale am 20. Juni 1923, in: Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Band II, S. 689 ff, erneut abgedruckt in: Beilage Marxistische Blätter Heft 2_2023, Essen, S. 5

[4] Georgi Dimitroff, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, in: Pieck, Dimitroff, Togliatti, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus, Berlin (DDR) 1960, S. 85

[5] August Thalheimer, Über den Faschismus, in: Faschismus und Kapitalismus, a.a.O, S. 34

[6] Domenico Losurdo, Demokratie oder Bonapartismus. Triumph und Niedergang des allgemeinen Wahlrechts, Köln 2008, S. 247 f.

[7] Arthur Rosenberg, Der Faschismus als Massenbewegung, in: Faschismus und Kapitalismus. Theorien über die sozialen Ursprünge und die Funktion des Faschismus. Hrsg. Von Wolfgang Abendroth, Frankfurt am Main 1972, S.88

[8] Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, in: Marx-Engels-Werke (MEW), Berlin 1960, Band 8, S. 161

[9] Arthur Rosenberg, Der Faschismus als Massenbewegung, a.a.O., S.88 f.

[10] August Thalheimer, Über den Faschismus, a.a.O., S. 38

[11] Friedrich Engels, Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, Marx-Engels-Werke (MEW), Berlin 1960, Band 37, S. 413 f.

[12] Domenico Losurdo, Die neuen Hitler. Ein Beitrag wider die Phrase, in: Marxistische Blätter, Jahrgang 2000, Heft 4, S. 64 -71.

[13] Ebenda

[14] Ebenda

[15] Ebenda

[16] Im Jahr 2000, dem Zeitpunkt der Abfassung des Artikels von Domenico Losurdo steht die Regierungsbeteiligung des Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei Österreichs ganz im Mittelpunkt des politischen Interesses.

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