Nun auch im Bier - Zur neuerlichen Hysterie um Glyphosat

-

"Brüssel winkt Glyphosat durch", kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 25.02.2016 eine Pressemeldung der EU-Kommission vom Vortag. Der Hintergrund: Die eu­ropäische Gesetzgebung schreibt vor, dass die in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen aktiven Wirkstoffe mindestens alle zehn Jahre hinsichtlich ihrer Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt überprüft werden müssen.[1] Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hatte dazu das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit der Sicherheitsprüfung beauf­tragt. Nach einer positiven Entscheidung des Rates der EU wird die Zulassung des herbiziden Wirkstoffs Glyphosat um 15 Jahre verlängert. Scharfe Kritik kam umgehend aus der Fraktion der Grünen im Europaparlament: Mit ihrer Entscheidung "verstoße die EU-Kommission ge­gen das Vorsorge-Prinzip und werfe 'alle Bedenken von Wissenschaftlern über Bord'. (...) Die EU-Kommission hat offenbar nicht die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick, sondern die Interessen der Agrarindustrie wie die des Herstellers des Pestizids, Monsanto' ".[2]

Glyphosat in Lebensmitteln

Wohl nicht zufällig am Tag der Entscheidung des Deutschen Bundestages über das Abstim­mungsverhalten der Bundesregierung zur Neuzulassung von Glyphosat in Brüssel[3] legte das private Münchener Umweltinstitut am 25.02.2016 die Ergebnisse einer Stichproben-Untersu­chung des Glyphosatgehalts in Bier vor. Die Schlussfolgerung darin: „Wir fordern die Bun­desregierung dazu auf, sich auf europäischer Ebene gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat einzusetzen.“ [4] Das Bundesinstitut für Risikobewertung reagierte noch am selben Tag: „… selbst die höchsten aus den Medien bekannten Gehalte (30 Mikrogramm pro Liter) [(wären] so niedrig, dass die hieraus rechnerisch resultierende Aufnahmemenge bei einem Erwachsenen (60 kg Körpergewicht) mehr als 1000-fach niedriger liegen würde als die der­zeit als unbedenklich geltende lebenslänglich duldbare (ADI) oder einmalig duldbare (ARfD) tägliche Aufnahmemenge. Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzuneh­men, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken.“[5] Doch wer trinkt schon 1000 Liter Bier am Tag?

Bereits im Juni 2015 hatte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vor Glypho­sat-Rückständen in Nahrung gewarnt. Damals waren es 16 Muttermilch-Proben von stillenden Frauen, die sich überwiegend mit konventionellen Lebensmitteln ernährten, die sie auf Glyphosat untersuchen ließen. Zur Begründung wurde angeführt: „Als Bundestagsfraktion haben wir lange überlegt, ob wir Muttermilch auf Glyphosat testen und in Kauf nehmen sol­len, damit stillende Mütter möglicherweise zu verunsichern, obwohl Muttermilch so wichtig für Säuglinge ist. Letztendlich haben wir uns für die Veröffentlichung entschieden, weil bei einem so wichtigen Thema wie Muttermilch und Gesundheit von Säuglingen mögliche Risi­ken nicht vom Tisch gewischt oder kleingeredet werden dürfen.“ Die von einem tiermedizini­schen (sic!) Labor in Leipzig durchgeführte Analyse ergab, dass in allen untersuchten Mut­termilch-Proben Glyphosatrückstände in einer über dem Grenzwert von 0,1 ng/ml für Trink­wasser liegenden Konzentration gefunden wurden[6]. Bärbel Höhn, Vorsitzende des Bundes­tags-Umweltausschusses, verlangte sogleich, Glyphosat zu verbieten: „Offensichtlich findet ein Übergang in die Muttermilch statt. Zwar können die Frauen auch selbst etwas tun, um die Belastung gering zu halten. Aber es können und wollen nicht alle komplett auf Biokost um­steigen. Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Verkehr ziehen, bis die Frage der krebsauslösenden Wirkung geklärt ist.“ Und Harald Ebner, für die Grünen Mitglied im Agrarausschuss des Bundestages erklärte:„Die Ergebnisse zeigen vor allem eines: Glyphosat ist allgegenwärtig. Dass in jeder untersuchten Muttermilchprobe mehr Glyphosat gemessen wurde, als für Trinkwasser zulässig ist, macht den dringenden Handlungsbedarf deutlich.“

Wie beim Bier hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) seinerzeit auch das Analy­severfahren bei der Muttermilch in Frage gestellt und eigene Untersuchungen in Auftrag ge­geben. In einer Presseinformation vom 11.02.2016 heißt es unter der Überschrift "BfR-Studie bestätigt: Kein Glyphosat in Muttermilch nachweisbar": "Das BfR beauftragte europaweit renommierte Forschungslabore, zwei unabhängige Analyseverfahren mit hoher Sensitivität zu entwickeln und damit 114 Muttermilchproben aus Niedersachsen und Bayern zu untersuchen. (…) Beide Verfahren wurden neu entwickelt und können Glyphosatrückstände in Mutter­milch ab 1 Nanogramm (ng = ein Milliardstel Gramm) pro Milliliter (mL) genau bestimmen (Bestimmungsgrenze). Damit sind diese Analyseverfahren mehr als zehnmal empfindlicher als die üblicherweise zur Analyse von Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln an­gewandten Verfahren und 75-mal empfindlicher als die ELISA-Methode (laut Angaben des Herstellers). Trotzdem wurde letztere im Juni 2015 bei der Analyse der 16 Muttermilchproben angewandt und die resultierenden Ergebnisse in einigen Medien als „besorgniserregend“ be­zeichnet. (...) Wie vom BfR bereits erwartet, wurden in keiner der untersuchten Muttermilch­proben Rückstände des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat oberhalb der Nachweis­grenze gemessen. Aufgrund dieser Ergebnisse sieht sich das BfR in seiner aus den physika­lisch-chemischen Eigenschaften von Glyphosat und aus Daten zur Toxikokinetik und dem Metabolismus an Versuchs- und Nutztieren gewonnenen Auffassung bestätigt, dass kein rele­vanter Übergang dieses Wirkstoffes in die Muttermilch stattfindet. (...) Das BfR und die Nati­onale Stillkommission weisen darauf hin, dass Muttermilch nach wie vor die natürliche und damit beste Nahrung für Säuglinge ist. Mütter sollten sich nicht verunsichern lassen und wie bisher stillen." [7]

Die Grünen reagierten darauf am 12.02.2016 mit einer Erklärung, die das indirekte Einge­ständnis enthielt, dass sie Panikmache betrieben hatten: "Nachdem die zuständige Agentur der Weltgesundheitsorganisation WHO Glyphosat als 'wahrscheinlich krebserregend' eingestuft hat, stellte sich für die grüne Bundestagsfraktion die Frage, ob auch Muttermilch mit Glyphostat belastet ist. Im Juni 2015 haben wir aus diesem Grund Muttermilch-Stichproben auf Glyphosatrückstände testen lassen. Bundesregierung und Behörden waren bis dahin auf diesem Gebiet untätig geblieben. Ausgewertet wurden 16 Proben von verschiedenen Müttern, darüber haben wir bereits berichtet. Das war keine Panikmache. Wir haben auch nicht vom Stillen abgeraten, wie uns inzwischen von einigen vorgeworfen wird. Es gab zu diesem Zeit­punkt noch keine validierte Testmethode mit ausreichender Empfindlichkeit. Erst nach unse­rer Untersuchung ist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) selbst aktiv geworden."[8]

Dabei hätten es die Grünen längst besser wissen können, denn bereits am 23.07.2015, etwa vier Wochen nach der Veröffentlichung ihrer Warnung vor Glyphosat in der Muttermilch, wurde in den Washington State University News berichtet, dass Wissenschaftler dieser Uni­versität mit einem hochsensiblen Verfahren kein Glyphosat in Muttermilch gefunden ha­ben.[9] Dennoch hatten die Grünen an ihrer Position festgehalten und damit in Kauf genom­men, Tausende von Müttern zu verunsichern.

Was ist Glyphosat?

In der Öffentlichkeit breiter bekannt wurde Glyphosat 1996 mit dem Import der ersten gen­technisch veränderten Pflanze, der herbizidtoleranten Sojabohne von Monsanto. Weniger be­kannt ist, dass dieser bereits seit 1974 kommerziell vertriebene Wirkstoff seit langem in der Landwirtschaft eingesetzt wird, beispielsweise zur Unkrautbeseitigung bei Hochstammkultu­ren im Obst- und Weinbau und zur Abreifung von Getreide (Sikkation) kurz vor der Ernte zur Verhinderung von Pilzbefall. Der immer wieder suggerierte Eindruck, dass Glyphosat erst mit gentechnisch veränderten Pflanzen nach Europa kam, ist daher falsch.

Glyphosat gilt als gut erforscht, hochwirksam und gleichzeitig umweltverträglich, weil es im Boden abgebaut wird.[10] Der Wirkmechanismus basiert auf der Blockierung eines Enzyms (EPSPS), das Pflanzen zur Herstellung essentieller Aminosäuren benötigen. Die Folge des Glyphosateinsatzes ist das Absterben des Blattgrüns. Menschen und Tiere verfügen nicht über dieses durch Glyphosat blockierbare Enzym. Aufgrund dieser Eigenschaften gilt Glyphosat als alternativlos und unverzichtbar für die konventionelle Landwirtschaft. Es unterstützt zu­dem moderne, die Bodenstruktur erhaltende Verfahren, indem das abgestorbene Laub zur Mulchbildung als Erosionsschutz genutzt wird.

Spätestens seit der Einordnung von Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" (Kategorie 2A) durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) fordern insbesondere die Partei Bündnis 90/Die Grünen und ihr nahestehende Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wie Greenpeace, Nabu und BUND, den Wirkstoff Glyphosat zu verbieten bzw. dessen Nutzung einzuschränken. Zu beachten ist dabei, dass die IACR keine wissenschaftlichen Un­tersuchungen durchgeführt sondern lediglich eine Einordnung vorgenommen hat. In einer Stellungnahme vom 23. März 2015 schreibt das BfR dazu, dass es die Entscheidung der IACR nicht nachvollziehen kann: „Alle diese Befunde wurden ebenfalls in den Glyphosat-Bewertungen des BfR, der EU-Institutionen und dem für die Bewertung von Pestizidwirk­stoffen zuständigen Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) der Ernährungs- und Land­wirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der WHO berücksichtigt. Diese Gremien sind zur Gesamtschlussfolgerung gekommen, dass Glyphosat nicht kanzerogen ist.“[11]

Aufschlussreich ist auch, was die IACR in der höchsten Kategorie (Kategorie 1),– also we­sentlich gefährlicher als das in der Kategorie 2A als "wahrscheinlich" krebserregend aufge­führte Glyphosat – als nachweislich „krebserregend“ auflistet: alkoholische Getränke, Ab­gase von Diesel-Motoren, Emissionen von Kohleöfen, die im Haus betrieben werden, be­stimmte östrogenbetonte Wechseljahres-Therapien, Sonneneinstrahlung, Holzstaub, Tabak und Tabakrauch, Sonnenbänke, Ruß und nach chinesischer Art gesalzener Fisch.[12] Das ist nicht wenig. Nach internationalen toxikologischen Standards ist Glyphosat sogar weniger giftig als Kochsalz und Backpulver[13].

Skandal im Biomarkt

Proteste von Grünen und NGOs gegen den Einsatz anderer, sehr viel gefährlicherer Wirk­stoffe, wie beispielsweise toxische Kupferpräparate im ökologischen Anbau, waren bislang nicht zu hören. Vielleicht weil diese nicht von Monsanto produziert werden und der "ökologi­sche" Kartoffelanbau ohne ihre,- mit Ausnahmegenehmigungen erlaubte - Anwendung un­rentabel wäre? Eingesetzt werden solche Kupferpräparate entweder in Fällen, wo keine ande­ren Mittel zur Verfügung stehen, wie im Fall der Kartoffelfäule oder im Bioweinanbau, wo die Winzer den falschen Mehltau mit dem lebertoxischen, gewässerschädlichen, sich im Bo­den anreichernden Kupfervitriol bekämpfen. Im November 2015 hatte der Hersteller von Voelkels "Spanischem Glühwein" dieses „Bio-Produkt“ als Reaktion auf eine Untersuchung bei Öko-Test, bei der ein erhöhter Kupfergehalt festgestellt worden war, aus dem Verkauf zurückgezogen Der von Öko-Test nachgewiesene Anteil des Metalls überschritt nach Aussage der Tester den Grenzwert.[14] Aber darüber schweigen die Grünen.

Auch der Rückruf von Lebensmitteln wegen Schadstoffbelastungen durch Biosupermarktket­ten halten Grüne und andere selbsternannte Verbraucherschützer nicht davon ab, "Bio"-Produkte weiterhin als generell gesünder zu bewerten. So war von dieser Seite auch kein Kommentar zu vernehmen, als die Alnatura Produktions- und Handels GmbH (mit 90 Alnatura Super Natur Märkten von Hamburg bis Konstanz) am 25.11.2014[15] den Rückruf von Baby-Getreide­brei und am 17.12.2014 von Hirse-Getreidebrei mit Reis veröffentlichte. In der letztgenannten Erklärung heißt es: "In einer Probe des Alnatura Hirse-Getreidebrei mit Reis wurden Spuren des Pflanzeninhaltsstoffes Tropanalkaloide (TA) nachgewiesen. Um jegliches Risiko für Säuglinge und Kleinkinder auszuschließen, hat Alnatura sich entschlossen, fürsorglich den Alnatura Hirse-Getreidebrei mit Reis ... zurückzurufen." Und ergänzend wurde darauf hinge­wiesen, dass "Tropanalkaloide (...) natürlicherweise in einigen Pflanzen vorkommen. Sie die­nen Pflanzen zur Abwehr von sogenannten Fraßfeinden. Bei der Getreideernte können Samen dieser Pflanzen miterfasst werden, die im späteren Verarbeitungsprozess ausgelesen werden. Geringste möglicherweise vorhandene Spuren im Milliardstel-Gramm-Anteil sind heute durch modernste Laboranalytik feststellbar. Tropanalkaloide waren in solchen Produkten schon im­mer vorhanden, wir wollen sie dennoch bestmöglich aus unseren Produkten ausschließen."[16] Am 20.02.2015 gab es erneut eine Rückrufaktion, diesmal traf es Maisgrieß-Produkte des Naturkost-Anbieters Rapunzel Naturkost GmbH. Im Maisgrieß waren ebenfalls Tropan-Al­kaloide nachgewiesen worden.[17]

Das alles sind Hinweise darauf, dass im ökologischen oder biologisch-dynamischen Getreide­anbau zwar Herbizide vermieden dafür aber Wildkräuter toleriert werden, deren Samen dann bei der Ernte "miterfasst" werden. Untersuchungen von Babynahrung zeigen immer wieder eine Vielzahl von Kontaminationen mit Schadstoffen wie Pyrrolizidinalkaloide, Benzol, Furan. Auch "Bio"-Produkte sind also nicht von Giften frei. In Bio-Babynahrung von Hipp und von Demeter, dem Verband für ökologischen Anbau auf anthroposophischer Grundlage, wurde sogar gentechnisch verändertes Gemüse nachgewiesen. [18] Das ist zwar harmlos, doch werben die Hersteller von Bionahrung bekanntlich damit, dass alle ihre Produkte „gentechnik­frei“ sind.

Was kann daraus geschlossen werden?

Die angeführten Beispiele zeigen, dass die Annahme, Produkte aus biodynamischem, ökolo­gischem oder wie auch immer bezeichnetem alternativen Anbau resultierende Pflanzenpro­dukte wie auch selbst gesammelte "natürliche" Heil- oder Gewürzkräuter seien sicher, ein Irrtum ist. Natürlich vorkommende Giftstoffe sind in Pflanzen, die sich Fraßfeinden wie In­sekten, Pilzen, Bakterien nicht durch Flucht entziehen können, zur Abwehr weit verbreitet. Wird auf Herbizide verzichtet, können diese natürlich vorkommenden Giftstoffe, wie im Fall von Alnaturaprodukten gezeigt, unbeabsichtigt durch Fremdsameneintrag bei der Ernte im Lebensmittel, unter anderem im Babybrei, enden. Auch im Boden verbreitete Schadstoffe wie Cadmium können, unabhängig von der Anbaumethode, von Kulturpflanzen aufgenommen werden und beispielsweise in Kartoffeln gelangen. Das war im Öko-Test Heft 1/15 in Kartof­feln von Alnatura beanstandet worden.

Eine weitere, natürliche Gefahrenquelle sind von Schimmelpilzen produzierte Gifte. Dazu gehören die krebserzeugenden Aflatoxine, die überall dort vorkommen können, wo Lebens­mittel gelagert werden. Nur unter besten Lagerbedingungen und unterstützt durch chemische Behandlung sind sie kontrollierbar. Noch sehr viel wirksamer ist aber ein von der Pflanze selbst produziertes Abwehrgift, wie das aus dem im Ökolandbau eingesetzte Bacillus thurin­giensis stammende Cry-Protein, ein Toxin, das beispielsweise in den gentechnisch veränder­ten, insektenresistenten MON 810-Maispflanzen gebildet wird, die bis 2009 auch in Deutsch­land angebaut wurden. Durch Abtötung der Insektenlarven verhindert es die Entstehung von Fraßlöchern, den Eintrittsorten für Schimmelpilze.

„Bio“ kann sogar lebensgefährlich sein

In Gläsern mit Bio-Sesammus wurden sogar Salmonellen nachgewiesen. Salmonellen verur­sachen Durchfallerkrankungen. Bei Risikogruppen wie Säuglingen, Kleinkindern, alten Men­schen und immungeschwächten Patienten können sie schwere Erkrankungen hervorrufen. In Deutschland gehören daher Salmonellosen zu den meldepflichtigen Erkrankungen. Am 22. und 27.01.2015 mussten erst die Bioproduktions- und Handelskette Alnatura GmbH[19] und am 28.01.2015 die Rapunzel Naturkost GmbH bekanntgeben, dass sie von ihnen gehandeltes bzw. produziertes Sesammus aufgrund von Salmonellenverunreinigung aus dem Handel neh­men müssen[20].

Der folgenschwerste Lebensmittelskandal der letzten Jahre ist auf eine Verunreinigung mit EHEC, einem Escherichia coli-Bakterium, in Sprossen aus ökologischem Landbau zurückzu­führen. Die Samen waren von einem deutschen Biogartenbaubetrieb aus Ägypten importiert worden. Der Verzehr der verunreinigten Sprossen hatte im Sommer 2011 Tausende Kranke und Hunderte Schwerstkranke und 53 Tote zur Folge gehabt. Viele der Betroffenen bleiben für den Rest ihres Lebens schwer geschädigt.

Fazit

Glyphosat als umweltverträglichstes Herbizid beseitigt um Nährstoffe konkurrierenden Wild­pflanzenwuchs und trägt damit zur Ernteertragssteigerung bei. Es bietet Schutz vor Bodenero­sion und reduziert den Einsatz von Maschinen, Treibstoff und Arbeitskraft, weil es nicht pro­phylaktisch sondern gezielt erst nach Auflauf des Unkrauts eingesetzt werden kann.

Es gilt immer, die Frage zu beantworten, in welcher Konzentration ein potentiell toxischer Wirkstoff im Produkt zurückbleibt, um entscheiden zu können, ob die Rückstände für den Verbraucher schäd­lich sind. Dafür gibt es Grenzwerte, die der Kontrolle unterliegen. Für Glyphosat sind sie sogar sehr niedrig. Ob Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in der Nähe der technischen Nachweisgrenze schädlicher sind als nicht vermeidbare Giftstoffe aus der Natur, kann objektiv nur anhand von toxikologischen Kriterien, nicht nach Gefühl oder Weltanschauung beurteilt werden.

Ob im Obst oder Gemüse, in Getreide, Milch- oder Fleischprodukten – überall können Stoffe ent­halten sein, die in zu hoher Konzentration schaden können. In der Praxis kommen solche Konzentrationen aber selten vor. Das trifft auch auf die in Produkten von Alnatura und ande­ren Firmen gefundenen Verunreinigen zu, weshalb die Rückrufaktionen wohl eher dem Zweck dienten, eine im Regelfall eingehaltene Nulltoleranz, das Ziel der Biolandwirtschaft, zu suggerieren. Eine Nulltoleranz aber gibt es nicht in der Natur. Aber es gibt Grenzwerte, deren Kontrolle gewährleistet, dass die zur Auslösung negativer Wirkungen notwendige Dosis nicht überschritten wird.

Die von den Grünen und NGOs ausgesprochenen Warnungen vor Glyphosat ist daher unbe­gründet. Schon gar nicht rechtfertigen sie ein Verbot. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass man gegen Glyphosat vorgeht, aber eigentlich die grüne Gentechnik meint. Immer wie­der wird denn auch auf einen Zusammenhang von Monsanto als Produzent von Glyphosat als auch von gentechnisch veränderten Pflanzen verwiesen. Das eine bedinge das andere. Doch übersehen wird dabei, dass Glyphosat zwar von Monsanto entwickelt wurde, der Patentschutz dafür aber in den meisten Ländern schon lange ausgelaufen ist, und es heute von einer Viel­zahl von Firmen weltweit hergestellt wird. Und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gibt es nur noch in wenigen europäischen Ländern, in Deutschland gar nicht mehr. Dafür haben die Grünen, Greenpeace und ihre Anhänger gesorgt.
Marianna Schauzu ist promovierte Molekulargenetikerin

[1] Vgl. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Rechtliche Regelungen der Wirkstoffprüfung; BVLVhttp://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/03_EUWirkstoffpruefung/psm_EUWirkstoffpruefung_node.html;jsessionid=683E7E0F7D80619BEAAF9551E90A3156.2_cid322

[2] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.02.2016

[3] 446 Abgeordnete stimmten gegen den von den Grünen eingebrachten Antrag, 117 Abgeordnete dafür, drei enthielten sich.

[4] http://www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Downloads/02_Mitmach-Aktionen/11_Rettet_das_Reinheitsgebot/Glyphosat_Untersuchung_Umweltinstitut_2016.pdf

[5] http://bfr.bund.de/cm/343/vorlaeufige-einschaetzung-zu-gehalten-von-glyphosat-in-bier.pdf

[6] http://www.gruene-bundestag.de/themen/agrar/glyphosat-in-muttermilch_ID_4396067.html

[7]http://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2016/08/bfr_studie_bestaetigt__kein_glyphosat_in_muttermilch_nachweisbar-196563.html

[8] http://www.gruene-bundestag.de/themen/agrar/endlich-amtliche-muttermilch-tests_ID_4398181.html

[9] https://news.wsu.edu/2015/07/23/wsu-researchers-find-u-s-breast-milk-is-glyphosate-free/

[10] Stephen O. Duke / Stephen P. Powles: „Glyphosate: a once-in-a-century herbicide“, Pest Management Science, April 2008

[11] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), „Löst Glyphosat Krebs aus?“, Bundesinstitut für Risikobewertung online, 23.03.2015

[12] IARC, „Agents classified by the IARC monographs, Volumes 1-112“, IARC online, 23.03.2015

[13] LD 50-Werte für Glyphosat: 4870 mg/kg; Natriumhydrogencarbonat (Backpulver): 4220 mg/kg; Natriumchlorid (Kochsalz): 3000 mg/kg. "LD 50“ beschreibt die Dosis, die für 50 Prozent einer Population tödlich wirkt, und ist der Standardindikator für die generelle Giftigkeit einer Substanz. Je niedriger der Wert, desto giftiger ist ein Stoff. Vgl. GESTIS-Stoffdatenbank“, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung online

[14] http://www.t-online.de/lifestyle/besser-leben/id_76257800/rueckrufaktion-bio-gluehwein-enthaelt-gefaehrliches-kupfer.html

[15] http://www.produktrueckrufe.de/nahrungsmittel-und-genussmittel/958-alnatura-rueckruf-getreidebrei

[16] http://www.alnatura.de/de-de/panorama/alnatura-aktuell/archiv-2014/rueckruf-hirse-getreidebrei-mit-reis-12-2014

[17] http://www.produktrueckrufe.de/nahrungsmittel-und-genussmittel/977-rapunzel-rueckruf-maisgriess

[18] http://www.vollwertigebabynahrung.de/fertigbrei/

[19] http://www.produktrueckrufe.de/nahrungsmittel-und-genussmittel/971-alnatura-rueckruf-sesammus

[20] http://www.produktrueckrufe.de/nahrungsmittel-und-genussmittel/974-rapunzel-rueckruf-sesammus

Der Newsletter des MEZ Berlin

Der MEZ-Newsletter wird, mit Ausnahme der Sommerpause, monatlich über den Newsletter-Anbieter Rapidmail versandt. Wir informieren Sie darin über die im MEZ stattfindenden Veranstaltungen sowie über das Erscheinen von Publikationen.