In Zeiten, in denen die Linke fehlt
Über das Selbstverständnis des Marx-Engels-Zentrums Berlin
Der politischen Linken ist die Verbindung zu den Lohnabhängigen und Armen verlorengegangen. An die Stelle von gesamtgesellschaftlichen Fragen der sozialen Sicherung, des Erhalts und der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie bezahlbarer Mieten sind identitäre Themen getreten. Man achtet auf die Wahrung und Sicherung der eigenen Identität, streitet für die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren und setzt sich für jene Minderheiten ein, die hinter der Abkürzung LGBTIQ* stehen. Man kämpft gegen Rassisten und Nazis und ignoriert dabei, dass die unsoziale Politik die Rechtsentwicklung erst möglich macht. Die Forderung nach offenen Grenzen für alle ignoriert die Interessen der hier Lebenden. Der Nationalstaat wird als Auslaufmodell bezeichnet. Stattdessen hofft man auf eine soziale und demokratische Europäische Union. In der internationalen Politik wird nicht zwischen dem imperialistischen Westen und den von ihm bedrohten Ländern, vor allem Russland und China, unterschieden.
Mit ihrer Orientierung auf eine kosmopolitisch-linke Identitätspolitik ergeben sich für eine solche Linke Schnittmengen mit einer ganz ähnlich ausgerichteten Sozialdemokratie und mit den Grünen. Auf dieser Grundlage soll eines Tages auf Bundesebene eine Rot-Rot-Grüne Zusammenarbeit in der Form eines „progressiven Neoliberalismus“ (Nancy Fraser) entstehen.
In dieser Zeit, in der - wie von Domenico Losurdo festgestellt - die „Linke fehlt“, ist daher Klarheit über die Ziele einer wirklichen Linken herzustellen. Auszugehen ist dabei von den Forderungen der Lohnabhängigen nach Arbeit, sozialer Sicherung und bezahlbaren Mieten. Notwendig ist ein unverkrampftes Verhältnis gegenüber der eigenen Nation, deren Erhalt für die Arbeiterbewegung ein hohes Gut darstellt. Die Europäische Union löst hingegen die in den Nationalstaaten erkämpfte Demokratie auf. Eine realistische Flüchtlingspolitik muss das Recht auf Asyl bewahren und zugleich eine unbegrenzte Migration von Arbeitskräften verhindern. Eine wirkliche Linke ist antiimperialistisch: Sie verteidigt die Rechte der um ihre Selbständigkeit kämpfenden Nationen und tritt den Weltherrschaftsplänen des US-Imperialismus entgegen.
Zur Herausbildung einer solchen Linken will das MEZ mit Abendveranstaltungen und Seminaren zu aktuellen politisch relevanten Themen einen Beitrag leisten. Es will ein Ort sein, an dem man sich über die Misere der Welt austauschen und darüber beraten kann, was dagegen zu tun ist. Es wurde im Oktober 2013 eröffnet und liegt im ehemals „roten Kiez“ in Charlottenburg, einem Stadtteil, der einst von der Arbeiterbewegung stark geprägt war.
Gerade in Zeiten, in denen angeblich „alles im Netz“ steht und mehr und mehr über Facebook und Twitter kommuniziert wird, bleibt das Treffen, das direkte Gespräch miteinander, wichtig. Ja, es wird sogar notwendiger denn je. Das MEZ bietet hierfür Zeit und Raum.